In meiner Zeit als Schüler an der Handelsakademie Innsbruck waren viele von uns Burschen ganz versessen darauf, jede freie Minute mit Fußballspielen zu verbringen. Gekickt wurde vor und manchmal auch nach dem Unterricht, in den Turnstunden in der Halle oder im Klassenzimmer. Wir nannten das „classroom soccer“. Ich sah dies damals als willkommene Abwechslung zum Unterricht. Offensichtlich war uns unterbewusst klar, dass die Befriedigung unseres Bewegungsdrangs und Spieltriebes etwas Positives bewirken würde.
Greg McKeown erklärt dies in seinem Buch Essentialism eingehender: „Play doesn’t just help us to explore what is essential. It is essential in and of itself.“ Ich sehe das gleich. Spiel und Bewegung wirken sich positiv auf unseren Geist und unseren Körper aus. Spielen verbreitert unser Spektrum an Optionen, es wirkt als Gegenmittel zu Stress und stimuliert unser Gehirn, schreibt McKeown. Sportliche Betätigung wird nicht ohne Grund auch in der Behandlung von Depressionen eingesetzt. Viele ehemalige Abhängige finden in Ausdauersportarten eine neue Bestimmung. Die Ultraläufer Timothy Olsen (Interview) oder Christian Schiester sind Beispiele für international bekannte Persönlichkeiten, die ihre negativen Abhängigkeiten durch Sport überwunden haben.
Flow und Nutzen
Jeder, der sich regelmäßig bewegt und die eine oder andere Art von Spiel betreibt, weiß um die positiven Effekte. Man fühlt sich danach einfach besser, manchmal auch kreativer und zufriedener. Spiel kann auch ein guter Ausgangspunkt sein, um einen so genannten Flow-Zustand zu erreichen. Steven Kotler forscht seit vielen Jahren in diesem Bereich und kennt die grandiosen Leistungsverbesserungen von Leuten, die sich im Flow befinden. Eine schöne Einführung zur Flow-Forschung findet man in diesem Vortrag.
Welchen Nutzen kann man daraus ziehen? Meines Erachtens nach ist es sehr wichtig, dem Spieltrieb und Bewegungsdrang möglichst oft nachzugeben. Auch in unserer modernen Welt kann man sich Zeit dafür nehmen und Bewegung aktiv in seinen Alltag einbauen:
- Auto oder Bus gegen das Fahrrad oder Schusters Rappen tauschen
- Treppe anstatt Lift benützen
- Am Stehtisch statt sitzend am Schreibtisch arbeiten
- Mittags seinen Lunch mit einem kurzen Spaziergang kombinieren
Es ist nur eine Frage der richtigen Einstellung. Ich denke, Bewegung ist für uns dabei einfacher zu argumentieren und somit auch problemloser in unser Leben einzubauen als das Spiel. Spiel ist ein etwas schwierigeres Unterfangen, weil es noch nicht so als positiver Faktor in den Köpfen Erwachsener verankert ist. Aber auch hier gibt es Möglichkeiten. Bei mir zu Hause liegt immer ein kleiner Fußball irgendwo in der Wohnung – einem gepflegten „kitchen soccer kick“ steht somit nie etwas im Weg.
Arbeitsplatz und Spiel
In der Arbeitswelt ist die leistungssteigernde Wirkung durch Spiel und Bewegung schon länger bekannt. Wirf zum Beispiel einen Blick in das Hauptquartier von SRAM, einem Fahrradkomponentenhersteller in Chicago. Oder schau Dir die offene Architektur der Pixar Studios an, die nur so zur Bewegung, Spiel und kreativem Austausch zwischen Kollegen einlädt. Aus Sicht der Leistungsverbesserung steht dem Aufstellen eines Basketballkorbes für den Papierkorb oder einem Tischfußballtisch somit nichts mehr im Wege.
Die Effekte dieser Gadgets werden allerdings bescheiden bleiben, wenn von der Geschäftsführung kein Verständnis dafür aufgebracht wird. Colin D. Ellis, ein erfolgreicher Projektmanager aus Australien, spricht in diesem Zusammenhang von einem Kulturwechsel, einem „cultural change“. Es darf nicht einfach halbherzig irgendeinem Trend, wie zum Beispiel dem des agilen Projektmanagements, gefolgt werden. Colin postuliert in diesem Interview, dass man diese Veränderung vorleben muss, um positive Effekte zu erzielen.
Ich bin davon überzeugt, dass Maßnahmen, die zu mehr Freude im Alltag und an unseren Arbeitsplätzen führen, sich nur positiv auf uns auswirken können. Wer noch mehr stichhaltige Argumente für das Gespräch mit seinem Chef sucht, wird auf der Website des National Institutes for Play fündig. Denn seien wir mal ehrlich:
All work and no play is no fun at all!
Beitragsbild von Antonio Gabola auf Unsplash