Jene, die unter Flugangst leiden, kennen das Szenario: Ein Urlaub in Übersee steht an. Eine Kreuzfahrt über den großen Teich ist keine Alternative. In den Wochen vor dem Flug stellt sich schon Nervosität ein und kurz vor dem Abflugdatum werden die quälenden Gedanken immer stärker. Welche Strategien mir geholfen haben, erfahren Sie hier.
Vorbereitung schafft Selbstvertrauen
Sich mit dem Thema beschäftigen. Es nützt nichts. Bei jedem Problem, das mental belastet, stellt sich eine gewisse Prokrastination ein. Man verschiebt, man verzögert, man will sich nächste Woche darum kümmern. Das zaubert die Flugangst leider nicht weg. Besser ist es, sich mit dem Thema intensiv auseinanderzusetzen. Buchtipp: Nie wieder Flugangst von Karin Bonner.
Über Angstauslöser klar werden. Dazu zählen zum Beispiel die Enge und die vielen Menschen im Flieger, Höhenangst oder der Kontrollverlust, weil man nicht selbst am Steuer sitzt. Je nach Auslöser kann man verschiedene Strategien anwenden.
Notfallmedikament besorgen. Sprechen Sie mit Ihrem Arzt und lassen Sie sich ein Notfall-Beruhigungsmittel verschreiben. Ich nehme bei meinen Flügen immer ein Notfallmedikament mit, sollte doch einmal eine Angstattacke ausbrechen. Ich habe es allerdings noch nie verwenden müssen.
Entspannungstechniken lernen. Hat mir neben dem Wissen eines Notfallmedikamentes die meiste mentale Ruhe gegeben. Einfache Atemübungen (z. B. von Dr. Weil) oder Muskelentspannungstechniken wirken Wunder. Allerdings gehört ein wenig Übung dazu.
Flug im Kopf durchgehen
Visualisieren. Die Flugreise von Anfang bis Ende im Kopf durchgehen. Anreise, Checkin, Onboarding, Handgepäck verstauen, Platz nehmen usw. Je detaillierter, desto besser, um Unsicherheiten zu minimieren und Vertrautheit aufzubauen.
Technischen Flugablauf verstehen. Der mit Abstand wichtigste Punkt für mich. Wann lässt der Pilot die Turbinen warmlaufen? Welche Geräusche entstehen dabei? Warum geht das Licht beim Verlassen der Parkposition kurz aus? Und so weiter. Umso mehr ich über Details Bescheid weiß, umso weniger musste ich darüber mutmaßen. Die Flügel wackeln beim Start? Soll so sein. Es knackst überall in der Beschleunigungsphase? Ist nur die Plastikverkleidung. Es ist im Steigflug eine plötzliche Verzögerung zu spüren? Ganz normal, die Höhengewinnung erfolgt in Treppen. Der Flieger sackt plötzlich in ein „Luftloch“? Der Gegenwind lässt kurzfristig nach. Hierzu gibt es viele Informationen im Web.
PilotsEYE.tv Channel auf Youtube. Eine Reise aus dem Cockpit mitzuverfolgen und dabei die Souveränität der Piloten zu beobachten, gab mir viel Vertrauen. Für mich unverzichtbar.
Somit sollte die Toolbox gut gefüllt sein und wir können entspannt zum praktischen Teil übergehen.
Helge Timmerberg über Anfängerfehler in Timmerbergs Reise-Abc.
Flugreise beginnen
Meine Flugreisen beginnen mit einer ordentlichen Vorbereitung. Dabei konzentriere ich mich auf das, was ich kontrollieren kann.
Zu Hause. 1-2 Tage vor dem Abflug Packliste erstellen und Flughafenanreise planen. Eine Checkliste erstellen, was in der Wohnung noch zu tun ist. Am Vortag packen. Reiseklamotten inkl. Kompressionsstrümpfen herrichten, Essentials wie Pass, Ticket (ich verwende die Wallet-App am iphone), Handy und Ladekabel, Noise-Cancelling-Kopfhörer (ganz wichtig), optional Reisekopfkissen, Schlafmaske und Elektrolyttabletten, Notfallmedikamente (Beruhigungsmedikament und Tabletten gehen Kopfschmerzen), Unterwäsche, Zahnbürste und sonstige Toilettenartikel (sollte das Gepäck nicht rechtzeitig ankommen), vorbereiten. Online einchecken. Ich sitze immer am Gang. Das vereinfacht den Weg zur Toilette und erhöht etwas die Beinfreiheit. Und ich fühle mich weniger eingesperrt.
Diese Vorbereitung erzeugt eine gewisse Routine und reduziert den Stress, irgendetwas vergessen zu haben.
Flughafen. Rechtzeitig zum Flughafen anreisen, einchecken, Security-check machen und in Ruhe zum Gate spazieren. Sich auf die Reise freuen.
Kein Weg zurück – Entspannen!
Im Flugzeug. Kurz vor dem Start nochmals die Entspannungsatemtechnik durchmachen. Mir hilft auch eine beruhigende Klassik-Playlist, die ich während der Startphase anhöre. Das dämpft auch den Fluglärm in der Kabine. Und dann einfach das in den Wochen zuvor internalisierte Geschehen beobachten. Es kracht von unten kurz nach dem Start? Ich weiß, das war das Fahrwerk …
Flug genießen. Auch wenn man an Höhenangst leidet, ruhig mal aus dem Fenster schauen. Der Blick ist oft grandios. Und daran denken, warum man im Flugzeug sitzt.
Während des Fluges ausreichend Wasser trinken und bewegen. Bei einem 9-Stunden-Flug trinke ich zumindest 1,5 Liter. Das verhindert meist auch Kopfschmerzen. Elektrolyttabletten verwenden. Alternativ etwas Salz zum Wasser geben – das erleichtert die Flüssigkeitsaufnahme, sagt Dr. Kelly Starrett in seinem Buch Ready to Run. Je nach Flugdauer regelmäßig die Beine vertreten und ein paar Kniebeugen machen.
Alkohol. Je länger der Flug, desto weniger hilfreich ist er meiner Ansicht nach. Ich trinke meist zum Essen ein Glas und das reicht dann, um schläfrig zu werden. Ich habe die Erfahrung gemacht, dass viele Fluggäste einiges an Alkohol in sich hineinleeren. Das schwächt den ohnehin durch den Stress und die trockene Luft belasteten Körper.
Ankommen. Nach der Landung kurz den Flug Revue passieren lassen. Ein bisschen stolz auf sich sein. Und den Urlaub genießen.
Key points
- Die Flugangst akzeptieren und aktiv anpacken
- Flugablauf visualisieren und technischen Ablauf verstehen
- Entspannungstechniken lernen und Notfallmedikament besorgen
- Gut vorbereitet die Flugreise beginnen
- Flugreise aktiv genießen
Dieses Procedere hilft mir, Flugreisen wesentlich entspannter anzugehen. Klar, die Flugangst geht nicht von heute auf morgen weg. Aber man tritt ihr proaktiv gegenüber. Und dieser Schritt ist Gold wert.
Beitragsbild von Shalom Mwenesi auf Unsplash.
2 Kommentare
Vielen Dank für die Tipps. Ich kann gut nachvollziehen , dass eine klare Ordnung in der Vorbereitung , das Bewusstmachen der geplanten Aktionen und erweitertes Wissen um die Technik viel Ruhe bescheren kann. Es war einiges dabei was ich in meine nächste Routine vor dem Flug mit aufnehmen werde!
Obwohl ich grundsätzlich nicht unter Flugangst leide, hat dieser Beitrag nichtsdestotrotz auch für mich viele nützliche Gedankenschritte beinhaltet! Danke dafür. Besonders die Idee, sich den Flug aus Sicht des Cockpits anzusehen, hilft bestimmt vielen und werde ich mir auch anschauen!